Natürlich müsste ich jetzt bei Adam und Eva anfangen, spätestens aber bei dem Zeitpunkt, da der erste Nachkriegsroller das Licht dieser Welt erblickte und seinen Erzeuger auch noch stolz darauf war, von Motorrädern überhaupt nichts zu verstehen. Gott sei's geklagt, der Mann hat nicht gelogen und man merkt das auch. Als ich vor drei und noch vor zwei Jahren Zweifel an der Strassenlage normaler Roller mit 8 Zoll-Rädern leise anzudeuten wagte, wäre ich fast gesteinigt worden. Inzwischen haben aber auch andere Leute den Mut gefunden, ziemlich unverblümt zu sagen, dass bei einem Roller eine motorradähnliche, also halbwegs verlässliche Strassenlage erst mit grösseren Rädern zu erreichen sei. Es hat bis zu dieser Feststellung zwar ein bisschen lange gedauert, aber immerhin, man hat das wenigstens überhaupt eingesehen. Bevor Das MOTORRAD nach dem Kriege wieder erscheinen konnte, also schon im Jahre 1948, habe ich einmal in einer anderen Zeitschrift festgestellt, man könne mit einem Roller auch ohne den berühmten Knieschluss ebenso gut fahren wie mit einem Motorrad - diese Erkenntnis war allerdings schon damals mit einem Roller mit 14-Zoll-Räder gewonnen worden. Sieht man sich ein bisschen in der Rollerwelt um, dann steht man vor der Tatsache, dass heute nur noch solche Roller mit 8-Zoll-Rädern gebaut werden, deren Konstruktionszeit vor 1950 liegt oder deren Konstrukteure inzwischen durch nichttechnische Gründe gebunden waren - gerade davon gibt es aber nur sehr wenige. Man brauch ausserdem nicht einmal auf eine Klasse überschwerer Roller abzuheben, die wir hier unter uns als "Schlachtkreuzer" bezeichnen, diese sind ja ganz zwangsläufig bei Rädern von 12, 13, und 14 Zoll gelandet. Wenn man also selbst dieses Argument ausser Betracht lässt und sieht, was alte, wirklich erfahrene Motorradfabriken - also keine Konfektionäre, die heute dies und morgen jenes bauen - im Verlaufe meist mehrjähriger Entwicklung und Versuche heute bauen, dann hat das unweigerlich mindestens 12-Zoll-Räder. Natürlich kommt das nich von ungefähr, denn erst bei einem 12-Zoll-Rad kann man bei den in Frage kommenden Belastungen auf eine Reifenbreite von 3,50" oder gar 3,25" heruntergehen und gerade diese kleine Reifenbreite scheint mir wichtigste Voraussetzung für eine einwandfreie Rollerlenkung zu sein. Mit vierzölligen Schwartenmagenreifen kann man nun einmal offensichtlich keine vernünftigen Lenkeigenschaften bei einem Einspurer mehr erziehlen, erst recht dann nicht, wenn dazu auch noch nur 8-Zoll Felgendurchmesser gehören. Dies hängt in sehr naheliegender Weise mit der Gestalt der Aufstandsellipse zusammen, es würde aber zu weit führen, hier des langen und breiten darauf einzugehen. Die nächste Frage bei der Rollerbeurteilung ist die der Motorleistung. Es gibt im Augenblick eine ausgesprochene Tendenz zu Rollern höherer Leistung, man glaubt, mit 125ccm bzw. den dabei verfügbaren 4 bis 5 PS nicht mehr auskommen zu können. In der Tat stimmt das auch, denn bei normalen 8-Zoll-Rädern ist man darauf angewiesen, mit einer gewissen Vorsicht zu fahren. Wenn es auch nur im geringsten mulmig wird, dann bleibt bei landläufigen 8-Zoll-Rollern nur übrig, ganz energisch mit der Fahrt herunterzugehen und dementsprechend fühlt man sich auch angeödet, wenn einen das 125er-Motörchen nachher nur ganz allmählich wieder herausbeschleunigt. Ich kann es also jedem Fahrer eines 125er-Rollers sehr gut nachfühlen, wenn er nach 150 oder gar 200 ccm Ausschau hält. Er weiss es ja nicht besser, vor allem weiss er nicht, was man von einem anständigen Einspurer an Strassenlage, an Bremssicherheit und an Spursicherheit verlangen kann. Er ist immerzu in der Lage, aus 20 heraus wieder hochbeschleunigen zu müssen, nur deshalb legt er so grossen Wert auf einen stärkeren Motor. ich will damit also nicht mehr und nicht weniger sagen, als dass das derzeitige Streben nach höherer Leistung bei Rollern mindestens zu einem Teil auf Irrtum beruht und durch die objektive Unzulänglichkeit der Strassenlage des heutigen 8-Zoll-Stardrollers bedingt ist.

So zierlich der Roller zunächst wirkt, haben aber auch besonders grosse Leute darauf Platz, man kommt mit den Knien weder mit der Spritzwand noch mit dem Lenker in Bedrängnis.

Vielleicht nicht ganz so klar überschaubar im Sachlichen wie heute, aber doch vorhanden war diese Lage, als man bei Puch daranging, der Nachfrage entsprechend auch einen Roller zu entwickeln. Man hatte den Mut, sich nicht an bestehende Vorbilder anzulehnen, sondern eigene Gedanken in Bewegung zu setzen und den Roller vor allem von Motorradleuten entwickeln zu lassen. Infolgedessen kam ein Roller heraus, von dem ich nur sagen kann, dass er die Strassenlage eines guten Motorrades hat. Es gibt zwar heute einen Haufen Rollertypen, es gibt aber nur ganz wenige, von denen man so etwas mit gutem Gewissen behaupten kann. und nun kommt das allererstaundlichste: Gerade infolge dieser Strassenlage, die einem erlaubt, genau wie bei einem Motorrad mit einer vernünftigen Fahrt in die Kurven hineinzugehen, Hindernisse anzubremsen oder über wellige oder sandige Stellen zu gehen, ist der 125er-Motor plötzlich nicht mehr unzulänglich. Es gibt natürlich ein gewaltiger Unterschied, ob man an irgend einer Strecke auf 30 herunter musste oder ob man diese Stelle mit 50 durchrollen konnte - gerade weil man bei Puch-Roller kann, sind auch mit dem 125er-Motor so respektable Schnitte zu erzielen, dass ein 125er-Motorrad alle Hände voll zu tun hat, um überhaupt dranzubleiben. Was der Roller tatsächlich leistet, das zeigte er unter Patleich mit seinen 127 kg, er zog ihn nämlich nicht etwas bloss über den Glockner, sondern auch die Turrach-Südseite noch mit einer gewissen Reserve im Gas hinauf. Er konnte damit von Landesgrenze Salzburg bis Stadtmitte München in einer Stunde 20 Minuten fahren, ebenso wurden die 210km Wien bis Graz mehrfach in drei Stunden 20 Minuten geschafft. Solche Schnitte sind niemals mit dem Motor allein zu fahren, dazu gehört auch die erforderliche Strassenlage, damit man wirklich überall mindestens 60 km/h ungefährdet stehen lassen kann - es sei denn vor einer geschlossenen Bahnschranke!

 

Man hatte vielleicht erwartet, dass man ausgerechnet bei Puch auch dem Roller einen auf sportlich aufgemachten Doppelkolbenmotor gibt. Ich weiss nicht, sas die Puch-Leute dazu bewogen hat, sie haben jedenfalls einen ganz normalen Einkolbenmotor genommen und der ist angesichts der für einen heutigen 125er auch wieder nur bescheiden 5 PS allerdings genau so ausgefallen, wie man bei Puch so etwas macht: Ein sehr hohes Drehmoment bei niedrigen Drehzahlen und damit natürlich eine entsprechend flach ansteigende Leistungskurve. Man konnte es sich daruch leisten, nicht nur mit drei Gängen auszukommen, sondern diese drei Gänge auch noch sehr weit auseinander zu ziehen. Das Diagramm zeigt ja, dass im Ersten die rechnerische Höchstgeschwindigkeit knapp über 20 km/h liegt und dass bei 15 km/h bereits 4 PS da sind. Das heisst also, dass man auch auf ausgesprochen tückischen und schmalen österreichischen Passstrassen nicht auf Schussfahren angewiesen ist und dass man gegebenenfalls auch längere Zeit hinter einem Omnibus dahinkriechen kann, ohne anzuhalten oder zum riskanten Überholen gezwungen zu sein. Ich weiss nicht, ob ein deutsches Werk die Charakterstärke besessen hätte, die Motorleistung bei 5 PS zu belassen – man hätte bei uns bestimmt 6 herausgeholt und dafür einen geringeren Durchzug unten in Kauf genommen. Da man aber in Graz die Berge vor der Tür hat und da der Österreicher sich weder um eine Höchstgeschwindigkeit, noch um einen Verbrauch, noch um sonst etwas kümmert, sondern ganz stur fragt, ob ein Fahrzeug auch die Turrach schaffe, wird eben jegliches in Österreich gebaute Fahrzeug einen Motor haben, mit dem man unter allen Umständen die Turrach-Südseite hinaufziehen kann, auch wenn vor einem ein Omnibus liegt.

Dieser erbitterte Bergbetrieb macht sich natürlich nicht nur in der motorischen Auslegung bemerkbar, sondern auch in der Stehfähigkeit. Die Gebläsekühlung bringt in dieser Hinsicht zwar einiges, das meiste bringt jedoch aber wiederum die weise Beschränkung auf die mässige Literleistung von 50 PS/l.

Für heutige Ansprüche ist auch der Lärm ein Gesichtspunkt: Das Hauptrahmenrohr wird als Auspuffdämpfer benützt. Der Roller ist aber trotzdem sehr repektabel leise, jedenfalls leiser als die meisten 125er-Motorräder. Falls jemandem auch das nicht genügt, gibt es neuerdings noch einen speziellen Ansaugdämpfer, der nachträglich auf die Ansaugöffnung aufgesetzt werden kann. Die damit verbundene Leistungsminderung ist gerade eben merklich, aber wahrscheinlich nur dann, wenn man so scharf fährt wie wir – ich glaube nicht, dass der normale Rollerfahrer im täglichen Gebrauch einen Leistungsunterschied überhaupt bemerken wird.

Die Schaltung ist eine für Roller durchaus übliche Drehgriffschaltung, man hat als in jedem Gang den Kupplungshebel in einer anderen Stellung und kann höchstens wählen, ob einem die Anfahrstellung im ersten Gang wichtiger ist oder die Enstellung im dritten Gang beim Jagen, weil man da möglicherweise den vorsichtigen Finger braucht. Ich kann mich ehrlich gesagt selbst für diese Drechgriffschaltung, obwohl sie inzwischen bei rund 2-300000 Rollern läuft, nicht begeistern. Zur Ehrenrettung des Puch-Getriebes sei aber folgendes gesagt: man kann mit dieser Drehgriffschaltung so robust umgehen, dass es tatsächlich genügt, den Drehgriff eben so weit zu verstellen, bis es im Getriebe kracht – dann weiss man, dass der Zweite drin ist und kann die Kupplung wieder loslassen. Das ist beileibe kein Spott, ich habe mich nie um eine Drehgriffschaltung gekümmert und immer nur dann, wenn es krachte, wieder eingekuppelt. Ich glaube nicht, dass jemand mit der Schaltung noch gröber umgehen kann und glaube infolgedessen versichern zu können, dass das Rollergetriebe absolut idiotensicher ist.

Die Drehgriffschaltung arbeitet mit durchgehendem Gestänge und sehr zuverlässig, der weisse Knopf neben dem unteren Kugelgelenk ist der Bedienungsgriff für den Choke.

Federungsmässig gehört der Puch-Roller auch keinenfalls zum Durchschnitt, die Hinterradfederung hat zwar nur eine mässige Hubhöhe und ist auch ungedämpft, aber durch Gummiblöcke, die in die Schraubenfedern eingesteckt sind, sehr stark progressiv. Die Vordergabel dagegen besitzt Ölstossdämpfer und ist wie gesagt zu einem wesentlichen Teil für die gute Strassenlage verantwortlich. Nächst wichtig für die Höhe der erzielbaren Reiseschnitte ist die Güte der Bremsen. Sie sind zwar mit nur 125mm Durchmesser ziemlich klein, aber sehr solide gemacht. Einmal eingefahren, so dass also die 30mm breiten Beläge tatsächlich tragen, sind auf ordentlichem, trockenem Kleinpflaster mit der Vorderbremse und einem 100-kg-Fahrer Verzögerungen zwischen 5.5 und 6m/sec2 zu erzielen, mit dem Hinterrad allein muss man natürlich mit guten 4.0 m/sec2 zufrieden sein, es sei denn, man könnte einen Sozius aufladen, der für den nötigen Achsdruck sorgt. Mit beiden Bremsen zusammen sind 7-8m/sec2 zu erziehlen, aber auch die Beziehung auf lange Dauerbelastung der Bremsen ist der Roller nicht nur scharfem Stadtbetrieb, sondern ausgesprochenem Bergbetrieb gewachsen.

Der Verbrauch entspricht der relativ mässigen Literleistung, es werden 2,2 l Normalverbrauch angegeben, man kommt aber auch bei schärfster Hetzerei sowohl wie bei bummeligem Stadtverkehr, der ja immer besonders unwirtschaftlich ist, im Durchschnitt mit 2,8 bis 3,0 Liter weg.

Hinter der grossen Klappe sitzen Vergasser, Tankhahn und zur Not auch die Kerze, dazu stellt man aber besser die ganze hintere Verkleidung hoch. Die Dose, auf die der Pfeil zeigt, ist der Ansaugschalldämpfer, den man aber nur bei besonders hohen Ansprüchen braucht. Die Werkzeugbüchse ist geöffnet, auf der Gegenseite befindet sich ein mehr als doppelt so grosser freier Raum.

Die elektrische Anlage ist – bei den nach Deutschland gelieferten Puch-Rollern – von Bosch und hat die übliche Leistung, die alle 35-W-Wechselstromanlagen haben. Man hat also 25 W im Scheinwerfer und kann sich gegebenenfalls eine Rücklichtlampe von 5 W leisten. Das Hella-Scheinwerferchen von 105 mm nutzbarer Öffnung ist heute Standartausrüstung für alle möglichen Roller – es gibt kaum einen Roller, der es nicht hätte -, infolgedessen hat es auch der Puch-Roller. Hat man nun zufällig einen guten Spiegel und eine noch nicht schwarz verschmurgelte Glühlampe, dann kann man mit ganz ordentlichem Licht rechnen, wie es bei unserer Testmaschine auch der Fall war. Womit ich aber gar nicht einverstanden bin und was keineswegs allein den Puch-Roller angeht sondern auch noch drei oder vier andere Roller, die im Augenblick bei uns laufen, das sind diese elenden Abblendschalter. Ich weiss nicht, wer diese Dinger eigentlich macht, jedenfalls kann der Betreffende damit keine Bilder herausstrecken und es täte wahrhaftig not, hier einmal ein kleines bisschen konstruktiven Verstand aufzuwenden, ganz gleich, was für ein weltberühmter Firmenname dahinter auch stehen möge. Wir machen jetzt seit 1948 wieder Wechselstromanlagen, seit 1948 besteht das Problem, vom Fernlichtfaden auf den Nahlichtfaden umzuschalten und dabei weder durch allzu langes Parallelschalten beider Fäden die Leistung zusammenbrechen zu lassen, noch durch zufälliges Abschalten beider Fäden während auch nur einer hundertstel Sekunde der Kontaktbewegung die Spannung hochschiessen zu lassen und so die Schlusslampe durchzubrennen.

Nach Lösen zweier Schnellverschlüsse lässt sich die Karosseriehaube hochklappen, nach Lösen eines Scharnierbolzens ganz entfernen. Den Schlauchanschluss des Vergasers abzuziehen ist kein Problem, ebenso ist das Rücklicht mit einer Steckverbindung angeschlossen. Der Tank hängt in der Verkleidung mit zwei Spannbändern und ist notfalls auch leicht herauszunehmen.

Der Motor ist bei uns absichtlich die ganze Zeit nicht gereinigt worden, er bekommt tatsächlich vom Hinterrad her keinen Dreck mehr ab. Auf der Antriebsseite ist durch das kleine Deckelchen die Kupplung zur Einstellung zugänglich, der dicke, schwarze Schlauch entlüftet das Antriebsgehäuse auf die Kette. Die Windführung der Zwangskühlung ist bezeichnend, der grösste Teil der geförderten Luft wird über den Zylinderkopf gedrückt.

Der Roller von rechts unten, sieht den Anschluss des Auspfuffrohres an das als Schalldämpfer funktionierende Rahmenrohr, den äusserst massiven Kippständer mit Querrohr und die Druckfedern mit den eingeschobenen Gummiklötzen für die Hinterradfederung.

Die in Deutschland verkauften Puch-Roller sind mit Amal-Vergasern ausgerüstet, der Gummibalgen über der Ansaugöffnung dient dem Anschluss an den Luftfilter, der fest innen an der bereits gezeigten Klappe sitzt. Das Segment mit dem Drahtzug am einen Ohr ist die Einstellvorrichtung für die Choke-Kappe.

Es tut mir leid, dass ich diese Feststellung gerade anlässlich des Puch-Testes treffen muss, es ist aber bloss ein purer Zufall, dass eben jetzt der Puch-Test als erster „dran“ ist und nicht der Goggo- oder sonst ein Roller-Test. Bei Puch hat man die schwache Stelle aber auch erkannt, bei Patleichs Roller war schon ein anderer Schalter drin, der offenbar etwas besser funktioniert.

An besonderem wäre noch zu bemerken, dass der Motor bei Kaltstart prompt anspringt, aber wie alle Zweitakter trotz reichlichen Tupfens keineswegs immer durchläuft. Anfänglich ärgert man sich, wenn man drei- oder viermal die Vergaserklappe aufmachen muss, um immer wieder zu tupfen und neu zu starten – nachher haben wir dann herausbekommen, dass man nur den Sprithahn aufzumachen und dann den Roller auf die Kickstarterseite umzulegen braucht. Stolz „wia an Hausherr“ zieht man die Ruhe die Handschuhe an, richtet den Roller auf, tritt ihn an und siehe da, er läuft anstandslos durch, weil inzwischen genügend viel Sprit ins Kurbelhaus gekommen ist. Unser zweiter Testroller hatte das bereits nicht mehr nötig, er hat im Vergaser – übrigens ein ehrlicher Amal statt der einfachen Puch-Hausvergaser – einen richtigen Choke wie ein Wagen. Man öffnet also den Sprithahn, tippt aber nicht, haut die Karosserieklappe wieder zu, zieht den Choke und tritt an. Wenn man unbedingt noch etwas aussetzen will, dann allenfalls, dass der Kickstarter äusserst knapp übersetzt ist. Zu einem Starterhub gehören volle drei Motorumdrehungen, also auch drei Zündungen. Es ist natürlich kein Wunder, dass der Motor unter diesen Umständen sehr zuverlässig ansaugt, zuverlässig startet. Ein Hundert-pfundmädchen tut sich aber gelegentlich schwer, denn entsprechend der knappen Übersetzung ist eine grosse Kraft erforderlich, die ein leichter Fahrer nicht immer aufbringt. Schon wenn man sich mit zwei Zündungen begnügen würde, wäre das Gröbste geschafft und ich selbst bin überzeugt, dass auch mit einer so reichlichen Starterübersetzung, dass auf jeden Starterhub nur eine Zündung erfolgt, der Motor nichts von seiner Anspringsicherheit einbüssen würde. Man braucht dann höchstens zwei Tritte, der Motor wäre dann auch da und man brauchte dann weder Kraft noch Geschick. Der Puch-Roller ist mit seinen 90 kg ein ausgesprochen zierlicher Mädchenroller, und ich mache von der Starterübersetzung nur deshalb soviel Aufhebens, weil man am ganzen Roller sonst eben schlechterdings nichts auszusetzen ist. Es ist überhaupt erstaunlich, wie diese rauhhaarigen Motorradentwickler in Graz ein Fahrzeug entwickeln konnten, dass hinterher so ausgesprochene „Mädcheneigenschaften“ hat. Bezeichnend: Es ist ein Kippständer vorhanden, der hat einen dicken Querholm und kann infolgedessen auch auf weichem Grund einsinken, so etwas konstruiert naturgemäss nur jemand, der im Gelände herumfährt. Es ist aber auch eine Seitenstütze vorhanden, mit der man den Roller wenigstens hinstellen kann, ohne ihn auf den Kippständer wuchten zu müssen – gerade das kann man keineswegs von allen Rollern behaupten. Natürlcih ist eine solche Abstellstütze konstruktiv eine Lächerlichkeit, ebenso ärgerlich ist es aber, wenn sie fehlt und das besagte Hunderpfundmädchen sich jedesmal schinden soll, um den Roller auf den Kippständer zu würgen.

Wir waren nur ein einzigesmal genötigt, eine Kerze zu wechseln, bei dieser Gelegenheit flog die T 1 gleich heraus, eine Beru U 2 blieb dann überbrückungsfrei, bei Patleich blieb während 5000km eine Bosch T11 ebenfalls überbrückungsfrei. Lediglich aus reiner Neugier, eigentlich nur, um den Motorblock photographieren zu können, nahmen wir die Karosserie ab und das geht nun anerkanntermassen ausserordentlich mühelos. Man macht lediglich die beiden Verschlusshaken auf, die man auch zum Hochstellen der Karosserie aufmachen müsste und hat darüber hinaus nur noch am Vorderrand der Haube einen Scharnierbolzen zu lösen, damit hat man auch schon die Haube in der Hand und kann in Gemütsruhe von allen Seiten an den Motor heran. Angesichts einiger  sehr moderner Rollerkonstruktionen halte ich eine soclhen Umstand für ausserordentlich wichtig, denn es ist zwar einfach, einen Roller wunderbar zu karossieren, es ist aber auch ebenso schwer, die lebenswichtigen Teile dennoch zugänglich zu halten. Eine wunderbare Blechkarosserie kann man wohl leichter zusammennageln, ob man nachher aber auch nur an den Vergaser oder ob man unterwegs an Zündung und Kerze herankommt, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Zusammenfassend kann ich also sagen, dass all die Dinge, die man dem Puch-Roller vielleicht als Fehler ankreiden könnte, durchaus dem heutigen „Stand der Technik“ entsprechen und in genau derselben Form bei allen anderen Rollern auch vorhanden sind. An positiven Dingen muss ich aber ebenso ausdrücklich sagen, dass der Puch-Roller die Strassenlage eines sehr guten Motorrades hat, dass man damit weder Schmiere noch Sand zu fürchten braucht, und dass gerade infolge dieser objektiv ausgezeichneten Strassenlage Schnitte zu fahren sind, zu denen bei 8-Zoll-Rollern ein 175er Motor bereits unerlässlich ist. Die Herkunft aus einem Lande mit schlechten Strassen und strapaziösen Bergen ist unverkennbar, ebenso wie die lange Entwicklungszeit in der Hand von reinen Motorradfahrern. Wenn trotzdem keine Lokomotive daraus geworden ist, sondern ein ausgesprochen handliches und zierliches Mädchenrollerchen, auf dem Zweimeter und Dreizentnermänner aber auch Platz haben, dann ist das umso bemerkenswerter.

 

Technische Daten:

Bohrung/Hub = 52/57

Verdichtung = 6,5 : 1

Leistung: 5 PS bei 5100 U/min

Getriebestufung: 1,0 / 1,75 / 3,08

Gesamtuntersetzung bei 14-Zähne-Ritzel: 6,6 : 1

Tankinhalt: 6,7 Liter

Reifen: 3,25 bzw. 3,50 x 12

Gewicht: 90 kg

Radstand: 1300 mm

Sattelhöhe: 745 mm

Bodenfreiheit: 145 mm

Steigfähigkeit im 1. Gang mit 75 kg: 36 Prozent

Steigfähigkeit im 1. Gang mit 150 kg: 25 Prozent

 

So liegen beim Puch Roller die Gänge, im ersten sind bei 15 km/h immer noch 4 PS vorhanden, besonders zwischen 2. und 3. ist nur ein geringer Leistungsabfall beim Aufwärtsschalten vorhanden.

Leistung und spezifischer Verbrauch des Rollermotors.

Beschleunigung des Puch Rollers mit einem Fahrer von 75 Kg.

Drehzahlen und Geschwindigkeiten in den einzelnen Gängen.

C. Hertweck

 

Entnommen aus: „Das Motorrad“, Nr. 16, 5. Jahrgang, 15. August 1953