Wenn man einmal mit
Leuten zusammensitzt, die alles gefahren haben, was bei uns auf zwei Rädern
kreucht und fleucht, so ergibt sich immer wieder ein Streit der Meinungen um den
Roller. Die einen schwören auf die klassische Linie mit dem leichten Bug und
kurzen Heck, die anderen halten den grossen und verhältnismässig schweren „Reiseroller“
für die unseren Verhältnissen am besten angepasste Lösung.
Lässt man dann einmal im Gespräch die Roller schön
nach dem Alphabet Revue passieren, so gibt es bestimmt beim Buchstaben D einiges
zu besprechen. Da steht nämlich die D i a n a von Dürkopp, und man ist sich
ungeachtet aller Prinzipfragen über einiges einig: Bei kaum einem ausserhalb
Italiens gebauten Roller ist es gelungen, derart organisch an die klassische
Grundkonzeption anzuknüpfen, mit klugem Blick vieles zu übernehmen, es
weiterzuentwickeln und dabei alles an Vorteilen zu bewahren, was der klassische
Roller zu bieten hat. Und es ist schon sehr interessant, wie man das gemacht
hat; irgendwie kommt einem beim Betrachten und Fahren ein abgewandelter
Werbespruch in den Sinn: „Fahre, staune, guter Laune...“
Auf den ersten Blick hat die Diana nicht einmal so
viel Ungewöhnliches – sie ist zwar sehr elegant, sie ist ganz betont ein
echter Roller, und der Name spiegelt viel von der graziösen Spannkraft wider,
die sich schon in der Form ausdrückt und die sich im Fahreindruck bestätigt.
Aber die eigentliche Delikatesse dieser Lösung wird erst richtig deutlich, wenn
man sich einmal in Anlage und Machart vertieft.
Der Vorbau mit Spritzwand und Fussbrettern hat als Rückgrad
einen Kastenträger, er ist also selbsttragend, es steckt kein Rohrrahmen
darunter. Der Hinterbau ist ein Rohrrahmen mit fester Mittelverkleidung und
abnehmbaren Seitenteilen, das gesamte Triebwerk jedoch mitsamt Auspuff,
Kettenantrieb (zugleich Schwingarm) und Hinterrad ruht auf einem besonderen Träger,
der mit Gummi an drei Punkten im eigentlichen Rahmen gelagert ist!
Der Erfolg dieser Konstruktionsweise: Vollkommen
vibrations- und dröhnfreie Karosserie, der Motor saust wie eine Turbine
irgendwo da unten, kein Nebengeräusch belästigt den Fahrer! Das ist eine bei
Rollern durchaus nicht gewöhnliche Eigenschaft, die man ausserordentlich schätzen
lernt. Bei keiner „kritischen“ Drehzahl vibrieren etwa die Bodenbretter –
nur dicht über dem Motorleerlauf schüttelt der Motor wenig, da gibt man dann
ein bisschen Gas und die Erscheinung ist weg.
Auch sonst ist das Fahrgestell mit bemerkenswerten
Finessen angelegt. Die Seitenteile sind mit einer Vierteldrehung des handlichen
Griffs in der Mitte abzunehmen – noch einfacher geht es nicht, und die
Seitenteile sind dennoch völlig klapperfrei aufgehängt. Das Zünd- und
Lichtschloss sitzt in der Mitte vor dem Sattel, der Gepäckraum hinter dem
Frontblech wird nicht eingeschränkt, denn der Tachometer sitzt in dem sehr
hochliegenden Scheinwerfer. Der Scheinwerfer gefällt in dieser Anordnung übrigens
manchen Leuten nicht – aber er liegt genau richtig: je höher der Scheinwerfer,
desto weiter reicht das Abblendlicht ohne zu blenden. Das Schirmchen über dem
Scheinwerferglas ist keine Spielerei – es ergänzt die Hella-Kalotte, eine
Abschirmung der Bilux-Lampe im Scheinwerfer, die das bei Nebel so lästige
Abstrahlen vom Scheinwerfer nach oben verhindert. Und der Tachometer ist nicht
nur beleuchtet, sondern man kann ihn dadurch sogar ablesen. Auch die Anordnung
der Sättel ist eine gescheite Sache: der Griff für den Sozius sitzt auf einem
Bügel, der in normaler Stellung die nach hinten bzw. vorn aufklappbaren Sättel
hält und mit Sicherheitsschloss gesichert ist. Bei aufgeklappten Sätteln kommt
man an den Tankverschluss, die Batterien und das Werkzeug, ausserdem saugt hier
oben in völliger Trockenheit der Motor seine Luft an. Den Tankwart stört etwas,
dass der Ausschnitt um den Tankverschluss ziemlich eng ist, aber bis jetzt ging
es bei meiner Diana noch jedesmal auf. Ganz unauffällig und in keiner Weise
hindernd sitzt neben dem Handgriff für die Sozia ein Hebelchen für den
Kraftstoffhahn – jederzeit in Fahrt erreichbar und beim Abstellen ohne Bücken
usw. zu drehen. Übrigens ist der Tankinhalt ganz bemerkenswert gross: ca. 12
Liter.
Der Motor ist einwandfrei zugänglich, die Kette mit
einer interessanten Exzenteranordnung der Schwingenlagerung einfach zu spannen,
ohne dass man dabei etwa die Spur der Räder einzustellen oder zu korrigieren
brauchte. Öldichter Kettenkasten mit Ölfüllung würde die Diana noch
perfekter machen – aber seit es Univis-Kettenfett in der Tube für
Kaltbehandlung gibt, ist das ja keine Sorge mehr.
Die Vorderradfederung entspricht in der Anlage
italienischen Lösungen: gezogene Schwinge mit hydraulischem Stossdämpfer, sie
arbeitet einwandfrei, sinkt natürlich beim Bremsen ein, wie alle gezogene
Schwingen, aber sie schlägt nicht an, zumal man offenbar absichtlich die Übersetzung
der Handbremse auf weiches Einsetzen angelegt hat. Das hydraulisch gedämpfte
Federbein hinten arbeitet ausgesprochen gut, solo wie mit Sozius, die
Gesamtabfederung der Diana lässt kaum Wünsche offen. Einseitge Radaufhängung
vorn und hinten mach die Raddemontage problemlos.
Im Fahren ebenso wie beim Abschieben vom Ständer (der
Handgriff für den Sozius ist auch hier sehr nützlich) ist die Diana
ausgesprochen handlich. Sie ist natürlich ein echter Roller und will gelenkt
werden, die Lenkung führt nicht motorradmässig, aber das Fahrverhalten ist in
jeder Lage einwandfrei, die 10-Zoll-Räder erweisen sich als voll ausreichend,
und man spürt in keiner Weise durch, dass die Diana mit 144 kg Leergewicht den
üblichen Reiserollern entspricht. Der 9,5 PS-Motor zeigt den Zweitakter von
seiner besten Seite; sehr gut am Berg, gleichmässige, starke Beschleunigung und
beträchtliche Spitzengeschwindigkeit, dabei eine so weiche Charakteristik, dass
man gut versteht, warum Damen die Diana besonders schätzen. Ich kenne nur noch
einen Rollertyp, dessen Triebwerk so turbinenmässig läuft.
Der Clou der Diana aber ist die Schaltung; sie ist
vollkommen narrensicher, sie erlaubt blitzschnellen Gangwechsel ohne jeglichen
Kraftaufwand und ohne jegliches Such- und Fangspiel zwischen Fahrer und Getriebe.
Dabei ist sie denkbar einfach: man schiebt einfach den Fussschalthebel vor oder
zurück – insofern ein Ei des Columbus, als man die einfache
Direkt-Hebelschaltung des Motorrades vertikal anbrachte. Die Gänge sind
vollkommen unverfehlbar, auch mit nassen Sohlen rutscht man nicht – ich habe
Ledersohlen, Gummi und Krepp gleichermassen durchprobiert. Und noch etwas: durch
einen Tritt auf den nach innen geklappten Kickstarter (er fungiert sonst nur
noch als Reserve zum elektrischen Starter) springt jederzeit der
Getriebeleerlauf zwischen dem ersten und dem zweiten Gang ein – man kann also
ohne Sorge auch bei kurzem Anhalten in den Leerlauf schalten, es gibt keine Einfädelei.
Die Fussbremse ist richtig für Fersenbetätigung angelegt, die Handhebel sind
leichtgängig.
Sonstige Erfahrungen: der Motor springt leicht an (Bing-Startvergaser),
er braucht wenig Starthilfe, die 240er-Kerze ist auch bei Kälte richtig, sehr
langsame Fahrer im Stadtverkehr können für die Frostperiode auch eine 225er
nehmen. Als Spitzengeschwindigkeit gibt Dürkopp bemerkenswerterweise „ca. 80
km/h mit zwei Personen und Gepäck“ an – wesentlich vernüftiger als eine
mehr theoretische feste Zahl, die doch nur als Mittel für die von Serienrollern
erreichten Geschwindigkeiten gelten könnte. Meine Diana läuft solo
aufrechtsitzend 88 km/h. Beschleunigung 0-40 = 5 Sek., 0-60 = 8,5 Sek., 0 – 80
= 21,5 Sek. Die Diana dreht bei Rückenwind und bergab enorm hoch, sie erreicht
da die 100 km/h. Bemerkenswert ist, wie schon gesagt, die zähe Beschleunigung
bei völlig ruhigem Motorverhalten, ebenso der ruhige Lauf beim langsamen
Bummeln.
Die Diana war uns eigentlich nur zur Verfügung
gestellt worden, damit wir auch einmal die neueste Ausführung mit dem
elektrischen Starter kennenlernten. Dass wir trotzdem noch eine neuerliche
Besprechung für notwendig hielten – in Heft 1/1954 hatten wir die Diana ja
bereits ausführlich getestet – mag belegen, wie hoch unsere Meinung von
diesem bemerkenswerter Roller ist.
Huck